Wanderung zum Glymur-Wasserfall
Wer Lust auf eine interessante Wanderung hat und sich hierbei nicht allzu weit von der Hauptstadt entfernen will, hat beim Wasserfall Glymur die Chance hierzu. Etwa eine Stunde Fahrt von Reykjavík entfernt befindet sich dieser zweithöchste Wasserfall der Insel. Der höchste Wasserfall liegt seit dem Jahr 2011 im Bereich des Vatnajökull-Nationalparks und hört auf den Namen Morsárfoss. Unten seht ihr den wunderschönen Glymur.
Freie Tage oder auch Feiertage nutzen wir hier in Island gerne, um aufs „Land“ zu fahren. Dass man sich in Island eigentlich fast immer innerhalb von 20 Minuten auf dem Land befindet, lasse ich hier mal außer Acht :D
Vor Kurzem begaben wir uns also an einem solchen Tag auf dieses kleine Abenteuer am Hvalfjörður, dem Walfjord. Im Jahr 1998 wurde ein Tunnel durch den Fjord errichtet, der die Route entlang der Ringstraße in den Norden nun deutlich abkürzt. Umfährt man den gesamten Fjord braucht man mindestens 45-60 Minuten länger, genießt hierbei aber die fantastische Landschaft entlang der Strecke.
Ich kann den kleinen Umweg nur empfehlen und wenn man noch ein wenig mehr Zeit mitbringt, ist auch eine Wanderung zum besagten Wasserfall drin. Für die Wanderung sollte man sich mindestens 2-3 Stunden Zeit nehmen.
Ziemlich genau in der Mitte des Fjordinneren, an der Straße Nr. 47, fährt man auf die Straße in Richtung des Parkplatzes ab (gekennzeichnet als Sackgasse).
Der Aufstieg
Vom Parkplatz aus führt der Weg dann erst einmal einige Minuten durch relativ flaches Gelände, blühende Lupinenfelder (im Juni zumindest), sanfte Buschlandschaften und einen kleinen Bach. Der Untergrund ist größtenteils mit groben Steinen bzw. Geröll bedeckt, was in der Ebene allerdings kein Problem darstellt. Man hat einen tollen Rundumblick auf das bewaldete Tal unterhalb des Wasserfalls und, nach einer leichten Erhöhung, auch auf den Fjord. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich, wobei mir dieser Abschnitt aufgrund der lieblichen Landschaft wohl am besten gefallen hat...
Der Weg schraubt sich etwas nach oben, bis man zu einem ersten Aussichtspunkt gelangt. Hier, auf einem flachen Fels rechts des Weges, kann man einen ersten Blick auf den Fluss werfen, in den der Wasserfall fließt. Dieser nennt sich Botnsá, weiblich wohlgemerkt. Die Botnsá entspringt dem See Hvalvatn und verläuft nördlich des Berges Hvalfell, bevor sie im Glymur die Schlucht hinunterrauscht.
Man folgt dem Weg im Anschluss durch eine Höhle hindurch, was den Pfad noch ein wenig exotischer erscheinen lässt. Trittsicher sollte man auf jedem Fall sein, das wird sich auf der ganzen Strecke auszahlen. Nachdem man über einige große Steinbrocken gekraxelt ist und den Kopf ein wenig einziehen muss, sieht man schnell wieder Tageslicht und folgt ein paar Stufen in Richtung Flussufer.
Hier läuft man für einige Meter, bevor sich das erste größere Abenteuer ankündigt: eine Flussüberquerung. Im Sommer liegt hier ein Stück Baumstamm im Wasser, am Anfang überquert man den Fluss auf einigen großen Steinen. Der Pfad ist mit einem stabilen Metallseil gesichert, an dem man sich festhalten kann (und sollte). Nasse Schuhe bekommt man auf jeden Fall ein erstes Mal, daher sind gute und wasserdichte Wanderschuhe ein Muss.
Auf dem Bild oben seht ihr den besagten Baumstamm ein wenig... Fokussiert euch bei Überquerung des Flusses am besten auf einen Punkt, damit ihr nicht die Balance verliert!
Im Anschluss beginnt der anstrengende Teil der Strecke, zumindest für einen Deutschland-Wanderer wie mich. Isländische Wanderstrecken sind häufig nicht mit denen in bekannten Wandergebieten Europas vergleichbar: Die Wege sind oft kaum gekennzeichnet und teils wird sehr darauf vertraut, dass der Wanderer seine Kenntnisse selbst einschätzen kann und trittsicher ist. Pfade führen oft über steile, mit losem Geröll bedeckte Trampelpfade und sind im Falle von Glymur zumindest in besonders rutschigen Teilen mit (neuen) Stahlseilen versehen.
Gut ausgebaute Wanderwege sucht man aber oft vergebens, was für viele sicherlich auch den Charme der rauen, unberührten Natur ausmacht und für viele Isländer auch alles andere als wünschenswert ist. Auch tiefe Abgründe und Schluchten sind oft nicht abgesichert und so kann nur gesagt werden, dass man seinen gesunden Menschenverstand einsetzen sollte!
Entlang dem Ostufer des Flusses folgt man nun einem mehr oder weniger steilen, schmalen Pfad entlang, der in manchen Abschnitten nur erahnt werden kann - doch alle Wege führen bekanntlich nach Rom ;-)
Viele Stellen bieten hier eine tolle Aussicht, da man sich immer weiter zum Plateau begibt und sowohl die Schlucht als auch den Fjord und das bewaldete Tal gut überblicken kann. Der Wind kann hier aber je nach Wetterlage heftig sein, ihr solltet also unbedingt windfeste Kleidung sowie einen Ohrenschutz und Handschuhe dabeihaben. Auch rechts der Strecke sieht man kleinere Flussläufe, die eine willkommene Abwechslung zur ansonsten kargen Landschaft rechter Hand liefern.
Bald jedoch bietet sich erstmals der echte richtige Blick auf den Star der Wanderung, den 198 Meter hohen Glymur. Was man jedoch beachten sollte ist, dass die Schlucht ebenso tief ist und Menschen mit Höhenangst könnten hier durchaus Probleme bekommen... ich habe jedenfalls gebührend Abstand zu allen Rändern gehalten, da man vor allem auch beim Gestein am Rand nicht sicher sein kann - eventuell ist es brüchig.
In den Klippen der Schlucht nisten übrigens hunderte weiße Küstenvögel, die wild durch die Lüfte schwirren und mit ihren Schreien dem Getose des Wasserfalls Konkurrenz machen.
Die Abhänge der Schlucht sind zumindest im Sommer mit grünem Moos besprenkelt und machen die Szenerie malerisch, wie aus einem Fantasy-Film. Das letzte Stück kann sich ein wenig ziehen, da es auch recht einheitlich steil verläuft und mich ziemlich ins Schwitzen gebracht hat. Die Aussicht belohnt aber auf jeden Fall bei jeder Verschnaufpause ;-)
Endlich bietet sich auch die beste Sicht auf den zweithöchsten Wasserfall der Insel und etwas oberhalb der Stelle, an der das Foto des Tals entstanden ist, in der leicht ansteigenden Hochebene, haben wir eine verdiente Rast gemacht. Denkt an etwas Proviant und - nochmals - warme Kleidung, damit ihr den Ausblick hier auch für eine Weile genießen könnt!
Der Abstieg
Okay, nun zum größten Abenteuer, das aber eigentlich nicht Teil der Strecke ist. Die vorgeschlagene Wanderroute, die man auch auf dem Info-Schild beim Parkplatz findet, sieht den Rückweg auf gleicher Strecke, am Ostufer des Flusses, vor. Auch wenn euch die Strecke steil vorkam und das andere Ufer verlockend aussieht - dies ist die einfachere Variante!
Wir entschieden uns für den Weg über den Fluss, oberhalb des Wasserfalls, und entlang des Westufers der Botnsá. Dass dies kein markierter Wanderweg ist, merkt man bereits daran, dass es keinerlei Hilfestellung gibt, um den breiten Fluss oberhalb des Gefälles zu überqueren. Die Botnsá verläuft hier relativ breit und tief, und die Steine im Wasser sind teils spitz und vor allem glitschig. Am besten ist es, wenn ihr Badeschuhe, Gummistiefel oder ähnliches, und ein Handtuch, dabei habt. Falls nicht und ihr euch trotzdem wagen wollt: Lasst besser eure Schuhe an.
Auch, wenn diese nachher klitschnass sein werden, werdet ihr im eiskalten Wasser und bei den Steinen froh sein, nicht barfuß zu sein. Ihr könnt eure Socken ausziehen, damit ihr im Anschluss zumindest in warme, trockene Socken schlüpfen könnt; aber eine Sohle ist Gold wert.
Seid bitte trotzdem sehr vorsichtig, man fällt leichter, als man denkt. Auch zu bedenken ist, dass Flüsse tiefer sind, wenn sie schmaler verlaufen.
Auf der anderen Seite angekommen hieß es erstmal aufwärmen. Ich muss gestehen, dass ich mit meinen eiskalten, nassen Schuhen inklusive Socken ziemlich geflucht und meinen Begleiter erheitert habe.
Der Weg hier verläuft nun ein wenig wirrer und noch weniger ersichtlich als am Ostufer. Manchmal muss man weitestgehend raten, wohin man jetzt wohl am besten laufen sollte, doch runter kommt man schon irgendwie. Der Trampelpfad verläuft großenteils in einem kleinen (ausgetrockneten) Flussbett, durch flache (Island-)Wälder und auf losem Gestein, das manchmal aussieht, als wäre es in flache Scheiben geschnitten worden. Man muss häufig den Kopf einziehen, wenn der Pfad durch die Wälder führt, doch hier wird man mit idyllischen Märchenfilm-Szenen belohnt.
Als ich schon das Gefühl hatte, wir hätten uns verlaufen, gelangte man endlich wieder zum markierten Wanderweg, vor der Überquerung des Flusses mittels des Baumstamms.
Insgesamt hat uns die Wanderung mit Pausen etwa 3,5 Stunden gekostet, doch sicherlich kann man es auch schneller schaffen. Ich kann euch diese Wanderung zum Wasserfall Glymur wirklich sehr empfehlen, sofern ihr die richtige Wanderausrüstung und etwas Abenteuerlust mitbringt. Der Weg ist sehr facettenreich und wird bestimmt nicht langweilig ;-)
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