Zu Besuch am Vulkan Fagradalsfjall
Das auf Island der Vulkan Fagradalsfjall ausgebrochen ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Und ja, es ist ein wahrlich beeindruckendes Spektakel. Am Tage ebenso, wie in der Abenddämmerung. Es ist der erste Vulkanausbruch, genauer gesagt eine Spalteneruption, seit knapp 800 Jahren auf der Halbinsel Reykjanes eine knappe Autostunde von der Hauptstadt Reykjavik entfernt. Der letzte Ausbruch auf Reykjanes dauerte 30 Jahre und fand zwischen den Jahren 1210 und 1240 statt. Insgesamt gibt es hier vier aktive Vulkansysteme: Das gleichnamige Vulkansystem Reykjanes mit dem Zentralvulkan Gunnuhver und Svartsengi , Krýsuvík mit dem Zentralvulkan Trölladyngja, Brennisteinsfjöll und Hengill. Einige Wissenschaftler sprechen sogar von sechs Vulkansystemen.
Nachdem Ende Februar fast täglich, teils heftige Erdbeben in dem Gebiet zwischen dem Keilir und dem Fagradalsfjall, registriert wurden, meldete das staatliche Fernsehen am 19. März 2021 um 20:46 Uhr einen Ausbruch am Fagradalsfjall.
Was dann geschah, hatte ich nicht erwartet: Gefühlt jeder Isländer stieg in sein Auto und fuhr in Richtung des Ausbruchsortes. Also machte auch ich mich auf den Weg. Ehrlich, so viele Autos auf der Straße nach Keflavík habe ich noch nie gesehen. Die Isländer lieben ihre Natur(ereignisse) und wenn es etwas zu sehen gibt, dann fährt man eben dort hin. Während ich noch im Auto saß tauchten bereits die ersten Bilder in den sozialen Netzwerken auf. Das staatliche Fernsehen RUV überträgt den Ausbruch live via Webcam. Ich selbst kam nur bis Grindavík, suchte mir ein ruhiges Plätzchen und bestaunte den feuerroten Himmel über den Bergen.
Am nächsten mache ich mich wie viele andere zu Fuß auf den Weg zum Ausbruch. Das Wetter ist, nett formuliert, „sehr isländisch“. Zwei GPS-Geräte, Telefon, wetterfeste Kleidung, gute Wanderschuhe, etwas zu essen, etwas Warmes zu trinken – man muss bedenken, dass der Eruptionsort im Tal Geldingadalur nicht erschlossen ist. Es gibt keinen Weg dorthin. Nach zwei Stunden Marsch durch Schlamm und über Geröll, im beißenden Schneeregen, bergauf und bergab, gebe ich schließlich auf und kehre um. Als Großstadtmensch bin ich wohl nicht gemacht für so etwas. Zwei Tage später wird der erste Wanderweg zum Ausbruch durch die freiwilligen Rettungsteams der Landsbjörg markiert.
Zwei Tage später hatte ich das Glück einen Platz im Hubschrauber von Norðurflug zu ergattern. Wie viele andere auch, habe ich mich bei verschiedenen Anbietern von Hubschrauberrundflügen auf eine Warteliste setzen lassen. Mit in meiner Auswahl war auch der Anbieter Vulcano Heli Mein Flug begann mit einer mehrstündigen Verzögerung am Inlandsflughafen in Reykjavik. Das Wetter war sehr wechselhaft, so dass es eine geraume Zeit dauerte, bis wir starten konnten. Die Flugzeit zum Vulkan dauert nur etwas mehr als 15 Minuten. Einfach an einem Berghang gelandet und wir fünf Passagiere hatten dann etwa eine halbe Stunde Zeit uns das Feuer speiende Spektakel anzusehen. Die meisten zücken sofort das Handy oder den Fotoapparat, aber ich kann Euch nur raten, lasst es sein und genießt einfach für ein paar Minuten den atemberaubenden Anblick, lauscht dem Brodeln, dem Fauchen und Zischen, dem knacken, der immer wieder neu aufbrechenden Lava. Es ist faszinierend, geradezu hypnotisch. Auf dem Rückflug hat der Pilot noch eine Platzrunde gedreht, so dass jeder auch einen guten Blick auf die Eruption hatte. Alles in allem, dauerte der Ausflug etwa eine Stunde.
So ein Hubschrauberflug ist nicht billig, aber ein tolles Erlebnis. Vor allem der Blick aus der Vogelperspektive in den brodelnden Lavakessel wird mir unvergessen bleiben. Und natürlich ist es eine gute Alternative für jene denen die Zeit oder die Kondition für eine Wanderung fehlt. Was mir noch fehlt, ist ein Blick auf den Vulkan aus größerer Höhe, um die gesamte Größe, denn das ist für Island ein sehr kleiner Ausbruch, einmal abschätzen zu können. Ein Rundflug über dem Vulkan steht als nächstes auf meiner Todo-Liste. Ein Anbieter wäre zum Beispiel Atlantsflug oder Circle Air.
Am folgenden Tag ging es (fast) zu Fuß nochmals zum Vulkan. Um ehrlich zu sein, ich bin ein gutes Stück des Weges gefahren worden, denn ich durfte die Arbeit der Rettungsteams der Slysavarnafélagið Landsbjörg einen Tag bei ihrer Arbeit am Vulkan begleiten. Keine Sorge, es war trotz der motorisierten Abkürzung ein sehr anstrengender Tag. Ohne die freiwilligen Rettungsteam die mit großem Elan rund um die Eruption im Einsatz sind ginge hier gar nichts. Die haben erst einen mittlerweile zwei Wanderwege markiert und begehbar gemacht und sie kümmern sich um die Sicherheit der Besucher. Bei dem großen Besucherandrang in den ersten Tagen, war das wahrlich eine Herkulesaufgabe.
Wer sich also auf den Weg zum Fagradalsfjall macht, sollte also einiges beachten: Festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung sind ein Muss. Ein bisschen Wegzehrung ist sehr ratsam. Auch wenn der Weg (mittlerweile gibt es zwei Wege) zur Ausbruchsstelle gut markiert und etwas geebnet ist, dauert die Wanderung immer noch etwa 1,5 Stunden (pro Tour) und ist recht anstrengend. Zudem ist das Gelände rund um den Vulkan, man möchte ja auch ein Weilchen verweilen, nicht zu unterschätzen. Also nehmt Euch Zeit und plant etwas großzügiger. Das Wetter kann jederzeit umschlagen. Darauf sollte man ebenfalls vorbereitet sein. Nicht wenige Besucher haben ihre Leistungsfähigkeit überschätzt und mussten von Rettungsteams versorgt werden.
Neben den recht offensichtlichen Gefahren, wie sprudelnde und bis zu 1200 Grad heiße Lava die aus dem Vulkanschlot geschleudert wird, gibt es noch weniger offensichtliche. Zu einem wären da die Lavazungen, die aus bereits erstarrter Lava bestehen. Man sollte niemals darauf treten, denn das Material ist sehr brüchig und kann unter der Oberfläche nicht nur tödlich heiß sondern sogar noch flüssig sein. Hinzukommt, dass diese oberflächlich erstarrte Lava immer wieder unvorhersehbar aufbricht und flüssiges Gestein austritt. Ein unglaublicher Anblick, denn man aus sicher Entfernung genießen sollte. Zum anderen, wären da noch die giftigen Gase (u.a. Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Schwefeldioxid) die an der Eruptionsstelle austreten. Da diese schwer als Luft sind, außerdem noch geruchslos, sammeln diese sich in Senken und Tälern und können zu einer echten Gefahr werden. Daher führen viele Besucher, die Rettungsteam in jedem Falle, Gasmasken und Gaswarngeräte mit sich. Respektiert die markierten Gefahrenbereiche, folgt den Anweisungen und habt immer die Windrichtung ein bisschen im Blick. Sollten das Wetter schlecht werden oder die Gasverschmutzung zu hoch sein, wird die Ausbruchstelle geschlossen bzw. evakuiert. Zwischen Mitternacht und 12.00 Uhr am folgenden Tag gilt die Eruptionsstelle als geschlossen und wird nicht durch die Rettungskräfte überwacht. Informiert Euch bitte unbedingt vor Eurem Besuch am Vulkan auf der Webseite safetravel.is über die aktuelle Lage. Hier findet ihr alles Wichtige: Karten der beiden Wanderwege (offline, druckbar, GPS), Hinweise zum Wetter und Kleidung, Hinweise zu den Parkmöglichkeiten. Im Augenblick arbeiten die Behörden und anliegende Landbesitzer an einem weiteren Ausbau der Weg und einer besseren Erreichbarkeit der Ausbruchsstelle.
Und immer im Hinterkopf behalten: So ein Vulkan ist unberechenbar und ändert sein Verhalten ständig. Da kann sich schon mal ohne große Vorankündigung eine neue Eruptionsspalte in Eurer Nähe öffnen. Wachsam sein. Zögert nicht die Einsatzkräfte bei Fragen oder Problem anzusprechen. Vielleicht kommt für den einen oder anderen auch eine geführte Tour in Frage.
Unterdessen ist die aufsteigende Rauchsäule des „kleinen“ Vulkans, der sein Eruptionsverhalten in den letzten Tagen erneut geändert hat, zu einer Art Landmarke geworden. Bei gutem und klarem Wetter ist sie weithin sichtbar und in der Dämmerung auch aus der Ferne ein beeindruckender Anblick. Gut zu sehen ist der Ausbruch vom Perlan in Reykjavik, der Kópavogskirkja in Kópavogur, der Blauen Lagune, von der Strasse Ægisíða in Vesturbær, der südlichen Seite der Halbinsel Seltjarnarnes, sogar noch von Akranes. Einfach mit offen Augen durch die Gegend fahren.
Kleines Update zum veränderten Eruptionsverhalten: Der Vulkan ändert sein Eruptionsverhalten ständig. Vorhersagen sind schwierig. Nach einer Zeit verstärkter Aktivität, man konnte regelrecht von einem Lava-Geysir sprechen, legt er nun hin und wieder längere Pausen ein. Keiner weiß wie lange der kleine Vulkan noch aktiv sein. Vulkane sind und bleiben unberechenbar. Erst kürzlich wurde Veränderungen am Vulkan Askja festgestellt. Hier hebt sich die Erde, was auf eine aufkommende Aktivität des Vulkans im Untergrund hinweist. Auch an anderen Stellen, Hekla und Grímsvötn tut sich im Untergrund eine Menge. Es bleibt spannend.
Die Parkplatzsituation wurde und wird unterdessen weiter verbessert und auch die Wanderwege werden ausgebaut. Das Parken ist mittlerweile kostenpflichtig.
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